Bullenreiten – Fahrbericht Black Bull

Meine Fahreindrücke zum Fahrspaß auf dem Boso San Stier. Diese persönlichen Eindrücke sind die Fortführung meines Berichts über die gesamten technischen Massnahmen und Highlights des radikalen Umbau einer Yamaha MT 01: Die Boso San Black Bull. Zu finden in der Ausgabe Nr. 7 / 2012 des Motorradmagazin MO und als PDF Download auf Boso San Motorradtechnik. Danke an Daniel Sattler von Boso San und Ingo den Besitzer, für die Gelegenheit dieses Biest fahren zu dürfen, und an Tommy Weinz von der MO für das tolle Fotoshooting.

Bullenreiten – Boso San Black Bull

Der Stier unter mir brabbelt angenehm im Stand vor der Ampel. Fast schon beruhigend. Auch die Vibrationen wollen mich, einer Massage gleich, fast einlullen. Kein Wunder, dass ich die blau/weiße Rennleitung schräg gegenüber zu spät bemerke. Sie gucken interessiert. Schwer interessiert. Aber eigentlich macht das jeder um mich herum. Selbst Menschen ohne den Hauch Benzin im Blut. Verständlich, die Boso San Black Bull ist ein Anblick den man nicht alle Tage in Stuttgart zu sehen bekommt.

Die Rennleitung bleibt zufrieden mit nur gucken, nicht anfassen. Das Brabbeln des Stiers aus den beiden potent nach oben strebenden Akrapovic Endtöpfen ist zu sonor und unaufdringlich. Gut, man könnte die Kelle schwingen um eine interessante viertel Stunde mit dem Studium des Fahrzeugschein zu verbringen – aber die Sonne scheint und die Horde Kinder, die gerade den Zebrastreifen vor mir überquert, ist begeistert, sie zeigen mit den Fingern und glauben Ferdinand der Stier hat gerade Freigang.

Es wird grün und ich schleiche zügig auf sanften Hufen davon. Ist nicht schwierig. Selbst im Tiefgeschoss der Drehzahl arbeiten die Muskeln der Black Bull mit deutlich Vorwärtsdrang und das Brabbeln wird zu einem leichten Schnauben.

Ingo, Besitzer der Black Bull und mit einer Größe von 192 cm, beschreibt das Fahren auf ihr als eine Art Flug mit der Kanonenkugel. Sein Kopf schon fast über dem Vorderrad, frei im Fahrtwind, und von seinem Stier sieht er nur noch die Hörner. Ich bin gut einen halben Kopf kleiner und sehe etwas mehr. Und bin verblüfft wie gut sie mir gefällt. Diese digitale Mini- Tachoeinheit von »Motorgadget«. Gleich zwei Dinge die ich bei einer Tachoeinheit eigentlich nicht ausstehen kann: »Digital Anzeige« und »Mini«. Doch die Ziffern leuchten prächtig rot, sind selbst bei direkter Sonneneinstrahlung perfekt abzulesen und es macht richtig Laune diesem roten Zahlenwirbel beim auf und ab zuzusehen: »Guck mal – schon bei …! Ähm … Ferdinand, wir sind doch recht schnell am Tempolimit angekommen. Brav.«

Über einen der am Lenker verbauten Micro-Schalter könnte ich die Tachoeinheit umschalten. Zum Beispiel auf die Anzeige der Drehzahl. Absolut nicht notwendig bei diesem Motor. Er wird nach Gehör gefahren. Was begeistert und die Sache einfacher macht. Denn so richtig schick und edel diese Micro-Schalter der Marke »Revolver« auch sind, Ergonomie ist nicht ihr Zauberwort. Ich werde auf der Blackbull zum Blinkmuffel. Es erfordert zuviel Konzentration den Blinkschalter, rechts und links blinken getrennt, immer sauber zu erwischen. Wiederum hat Ingo Pranken in Grizzlyausführung und die Revolver-Teile liegen ihm wahrscheinlich deutlich besser vor den Fingern.

Auch muss ich mich, im Gegensatz zu Ingo, über die Tankform etwas lang machen um meine Extremitäten sauber zu platzieren. Würde die Black Bull mir gehören, wäre dies aber kein Thema. Denn die Kombination von LSL Stummel und BKG Fußrastenanlage ist voll auf den jeweiligen Fahrer einstellbar. Da ich den Schlüssel der Blackbull aber von der Boso San Theke stibitzt habe, muss ich mit Ingos Gardemaß-Einstellungen leben. Was nicht schwer fällt.

Yamahas Idee, einen fetten Cruiser V-Twin mit dem sportlichen Fahrwerk der R1 zu verbinden war mutig. Doch in Serie, als MT 01, blieb man wie so oft, im Barock hängen. Auch eine mutige Idee muss, zum Ende hin, immer mit dem Totschlagargument Vernunft verkauft werden. Und es gibt wohl kaum vernünftigere Menschen als Motorradfahrer. Manchmal kann »Produktdesign folgt Marketing« auch zum schreien blöd sein.

In der unvernünftigen Variante einer Black Bull treten die R1 Gene für den Fahrer deutlich hervor und sind, natürlich rein aus meinem persönlichen Eindruck, die glücklicheren Kühe auf der Weide. Die geduckte Haltung auf ihr, rückt diese Gene um einiges markanter ins Bewusstsein des Fahrers – und er möchte manchmal fast »Yipee« schreien. Besonders wenn er den notwendigen Kurvenfahrstil des Stieres für zügiges Verbinden der schönsten Linie von A nach B akzeptiert und genießen kann: Hanging Off.

Er muss es akzeptieren, da die Blackbull danach verlangt. Speziell auf der rechten Seite. Der Krümmer der Boso San Eigenbauanlage folgt dem Verlauf der Original Anlage und setzt auf. (Während des MO Fotoshooting mit Tommy Weinz, versetzte mich der Stier im Dreipunkt-Modus, Räder und Krümmer, um ein paar nette Zentimeter und die Umwickelung litt sichtbar.) Auch links, bei wirklich scharfer Gangart, ist es möglich am Metall des Motors zu schaben. Jetzt kann man die Finger kreuzen und die Gleichung »Umbau + setzt böse auf = Anti-Christ« aufstellen. Oder den Vergleich mit den Sportlern vergangener Tage ziehen. Es erfordert einfach etwas mehr an Voraussicht in die kommende Schräglage um die Black Bull schnell zu bewegen. Nicht nur draufhalten, sondern auch Lesen der Straße. Mit den Fußschleifern vorzufühlen und am notwendigen Grad Schräglage durch Hanging Off das Feintuning zu betreiben. Nicht viel anders ließ sich damals eine Speer-Katana schnell bewegen, die dabei ihren Lichtmaschinendeckel stetig bearbeitete und abfräste.

Und die eigentliche Belohnung dieser Fahrarbeit? Ist der Genuss sich wirklich an den Flanken des Stieres wieder zu finden. Seine Länge und die hohe Tanklinie erfordert es, nicht einfach nur den Hintern leicht zur Kurve hin zu verschieben und das Knie heraus zu drehen, sondern sich mit dem gesamten Oberkörper Richtung Asphalt hinaus zu lehnen. Die schmale Taille um die Sitzbank macht dieses Turnen von rechts nach links sehr einfach und die BlackBull zaubert damit in Kurven den Fahrer zum fotogenen GrandPrix-Helden. Und so fühlt man sich dann auch. Verdammt verwegen. Und bei Kommentaren zum Rest an »Angststreifen« am 190er Hinterreifen, zieht man die Augenbrauen hoch und zeigt einfach lässig auf den angefrästen Krümmer: »Noch Fragen?«

Im Gegensatz zu ihrem Aussehen und ihrem Sound, ist der Ritt auf der BlackBull kein Rodeo. Neben obigen Genen tragen feine Zubehörteile wie die mattschwarzen radialen Kupplungs- und Bremspumpen von Spiegler ihren Teil dazu bei, sich sportlich und doch angenehm nach vorne zu katapultieren. Ich bin durchaus ein Verfechter japanischer Serienware an Händen und Füssen, und schwer davon zu überzeugen Geld für »Technik Design Gimmicks« auszugeben. Ein Bremspumpe ist schließlich »nur« ein Bremshebel plus Anbau. Und erledigt diese Einheit ihren Job, ist es auch gut. Aber diese Pumpen! Zum Verlieben. In Optik wie ihrer Bedienung. Um im zweideutigen Revier zu wildern: Sicher auf dem Bremspunkt und absolut gefühlsecht unter dem Lederhandschuh.

Dazu die leichten PVM Y-10 Felgen, die mit ihrem deutlich weniger an ungefederten Massen, den Stier zwar nicht zum Wiesel werden lassen, aber Lenkkorrekturen, auch im oberen Geschwindigkeitsbereich, ungemein schnittig angehen. Selten hatte ich so viel Spaß beim Überholen, Aus- und Einfädeln in Folge. War schon fast so, dass ich mich auf den Anblick eines LKW freute, der eine Kolonne hinter sich herzog. Die Straße glich dann einem großen Laib Bauernbrot, frisch aus dem Ofen. Und die Black Bull war das Brotmesser aus feinster Schmiede, welches mit seinem Wellenschliff mit Leichtigkeit den Weg durch die Kruste und den noch warmen Kern fand. Ohne die Spur eines Reißens.

Und was reißt der Stier nach oben? Daniel Sattler, Entwickler der Blackbull, hat neben dem leichten Motortuning auf 95 Pferdchen (Powercommander 5 in Verbindung mit K&N Luftfilter und Eigenbauanlage mit original Katalysator, abgestimmt auf dem hauseigenen Dynojet Prüfstand), die Übersetzung durch acht zusätzliche Zähne am Kettenrad gekürzt. Damit galoppiert der Stier von unten heraus mächtig voran und es steht bei jedem Landstraßentempo, auch dem sportlich orientierten, das gewaltige und schaltfaul aufzurufende Drehmoment des V-Twins parat. Ab 182 wirbelt die Motorgadget Anzeige dann nicht weiter vorwärts.

Liest sich etwas zart, gibt als Zahl am Stammtisch nicht viel her? Falscher Ansatz. Die Reduktion auf die mögliche Endgeschwindigkeit, ist ein überholtes Thema. Die Black Bull ist die Interpretation eines modernen Caferacers. Ihr Fahrspaß ergibt sich aus der Summe: Einsatzwille des Fahrers und Verständnis über die Fähigkeiten des Motorrades. Ein Ansatz, so alt oder jung wie das Motorradfahren selbst – und heute moderner denn je.

Ich bringe den Stier zu später Stunde zurück. Vor die Werkstatttore von Boso San Motorradtechnik in Simmozheim bei Calw. Gerade verschwindet die Sonne. Ich ziehe den Zündschlüssel und betrachte ihn. Ich war überrascht wie bequem und angenehm er sich fahren ließ. Sein Scheinwerfer und die beiden LED Blink-Brems-Rücklichter leuchten noch ein paar Sekunden nach. Garagenlicht. Sehr nette Kleinigkeit. Ich hatte ihn vorverurteilt als reines Model für den kurzen Trip und den gut gefüllten Geldbeutel. Ich würde jetzt gerne den Einteiler anbehalten, meinen Rucksack mit schmalem Gepäck füllen und ein langes Wochenende mit ihm durch die Dolomiten donnern. Seine Lichter gehen aus. Ferdinand schläft und ich muss ein Gespräch mit Ingo führen.

Steven Flier
Motorrad Enthusiast

Epilog

Daniel Sattler führt diesen Boso San Umbau einer MT 01 unter »Evolutionsstufe 1«. Optimiert und auf Charakter getrimmt. Einsatzgebiet Landstraße. Es gibt eine gedankliche »Evolutionsstufe 2«: Aufgebohrter und getunter Yamaha V-Twin, mit richtig Plus an nutzbarerem Drehmoment und Leistung. Dazu einen renntauglichen Rohrverlauf am Krümmer in Verbindung mit einem optimierten Fahrwerk für renntaugliche Schräglage. Einsatzgebiet – Rennstrecke und Battle of the Twins. Anfragen dazu an: Boso San Motorradtechnik.

Sie möchten mehr zum technischen Umbau der Boso San Black Bull wissen?
Hier öffnet sich das PDF meines Berichts in der MO Nr.7 / 2012.

Die Black Bull kam auch zu der Ehre einer künstlerischen und illustrativen Umsetzung. Ich nutze sie als Vorlage für mein traditionelles Glemseck 101 PinUp 2012. (Mehr Bilder und Infos dazu über den Link.)